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Corrigir

What a Lucky Man You Are

Reinhard Mey

Der letzte Ferienabend in dem quirl'gen Sonnenland
Ein letztes Mahl gemeinsam in dem Straßenrestaurant
Brotkrumen, halbvolle Gläser, Rotweinflecken auf Tischdecken aus Papier
Gegessen und getrunken, viel erzählt und viel gelacht
Das letzte, aber diesmal wirklich letzte Glas gebracht
Malereien und Strichmännchen und das Wechselgeld im Teller schon vor mir
Am Nebentisch außer uns nur noch das grauhaar'ge Paar
Aus Texas, diese Golfhose, die Föhnfrisur, na klar!
Den ganzen Abend haben sie zu uns 'rübergeseh'n
Sie zahlen, stehen auf und er bleibt kurz neben mir stehn
Beugt sich zu mir herunter und sagt leise zu mir im Gehn:
„What a lucky man you are!“

Ich will etwas erwidern und ich suche nah dem Wort
Doch eh' ich es noch find', sind sie mit einem Lächeln fort
In den Stuhl zurückgesunken, lass ich den Blick in die Tischrunde geh'n
Zum dem großen jungen Mann, der mir da gegenübersitzt
In dessen dunklen Augen Witz und Aberwitz aufblitzt
Aus denen Schabernack und alle Traurigkeit der Welt mich zugleich anseh'n
Spaßvogel, Weltverbesserer, ein bisschen, wie ich war
Und ich seh' mich in ihm wieder, noch einmal ein junger Narr
Gestern habe ich ihn noch in seinen Kindersitz gesteckt
Heut sitzt da dieser Grizzly, der sich räkelt und sich streckt
Ein bisschen wie mein großer Bruder, der mir jeden Strolch verschreckt
„What a lucky man you are!“

Dann da zu meiner Rechten, der der alles anders macht
Aus dessen Widersprüchen mich mein Spiegelbild anlacht
Der, wenn es zwei Wege gibt, immer den schweren nimmt
Der sich auflehnt, der alles auf die harte Tour lernen muss
Der zärtlich ist und weich sein kann und eine harte Nuss
Der frei ist, ein Rebell, der furchtlos und allein gegen den Strom anschwimmt
Da ist das junge Mädchen, mit dem langen dunklen Haar
Voll Lebenslust und Übermut, ganz und gar unzähmbar
Mit einem Willen, dem sich besser nichts entgegenstellt
Mit einem Blick, an dem jeglicher Widerstand zerschellt
Mit einem Lachen, das auch den dunkelsten Tag aufhellt
„What a lucky man you are!“

Da ist die Frau an meiner Seite, die diese Arche mit mir lenkt
Die mir ihre schöne Seele und ihre Klugheit schenkt
Die ich liebe und an der ich jedes kleinste Wort und jede Regung mag
Die Freundin, die Komplizin, die mit mir zusammenhält
Wie Pech und Schwefel, zwei gegen die ganze Welt
Mit der ich jeden Lebensturm durchqueren kann und jeden ganz normalen Tag
Und ich sitz' da vor Kopf, noch immer stumm, schon sonderbar
Da kommt ein Wildfremder an deinen Tisch und macht dir klar:
Du hast alles, was du wolltest! Was um alles in der Welt
Wieviel unwichtiges Zeug dir oft den Blick darauf verstellt!
Manchmal brauchst du einen Fremden, der dir einen Spiegel vorhält:
„What a lucky man you are!“

Composição: Reinhard Mey





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